Drastische Rollenveränderung

Interview mit dem Wirtschaftsmagazin der IHK 11/2017

Rechtsanwalt und Berater Ernst Pechtl erklärt, wie Unternehmerfamilien den Generationswechsel meistern können und dabei nicht nur die Weiterführung der Firma, sondern auch das Wohl der Familie sichern.

EVA ELiSABETH ERNST

Herr Pechtl, Sie haben unzählige Unternehmen beim Generationswechsel begleitet. Welche Aspekte werden Ihrer Erfahrung nach bei der familieninternen Nachfolge häufig unterschätzt?
Bei diesem Thema geht es um weit mehr als die steuerlich optimierte und juristisch korrekte Übertragung von Unternehmensanteilen. Was häufig fehlt, ist eine Art Architekt, der das gesamte Firmen- und Familiengebäude überblickt. Schließlich soll das Unternehmen mit neuen Anteilseignern und neuem Management fortgeführt werden. Das alte Gleichgewicht innerhalb des Unternehmens, aber auch innerhalb der Unternehmerfamilie wird massiv gestört, es finden drastische Rollen- und Vermögensveränderungen statt: Wertvolle Geschäftsanteile werden übertragen, sowohl Junior als auch Senior treten in eine neue Lebensphase ein. Das wirkt sich auch auf Geschwister, Mitarbeiter und Freunde aus. Ein neues Gleichgewicht herzustellen ist eine echte Herausforderung, bei der insbesondere die Familienstruktur häufig übersehen wird. Doch sie entscheidet über persönlichen Erfolg oder Misserfolg. Ich empfehle grundsätzlich, die familiären Fragen wichtiger zu nehmen als den einen oder anderen Euro mehr an Verkaufserlös.

Wie können Unternehmereltern feststellen, ob Sohn oder Tochter überhaupt als Nachfolger geeignet sind?
Ich verwende seit mehr als 25 Jahren Instrumente, die beim Unternehmer, seiner – Familie und insbesondere dem Nachfolger, aber auch bei Führungskräften Strukturen in Form von Denkstilprofilen sichtbar machen. Damit kann man erstaunlich zuverlässig erkennen, in welchen Bereichen einem Nachfolger ausreichend eigene Potenziale zur Verfügung stehen und wo eine Ergänzung angezeigt ist. Ist der Junior etwa besonders technik- oder zahlenaffin, kann ihn ein Co-Geschäftsführer mit betriebswirtschaftllchem Know-how oder ausgeprägter Marketing- und Vertriebsorientierung unterstützen. Allein dadurch, dass die Eigentums- und die Managementebene separat betrachtet werden, gibt es vielfältige Möglichkeiten für die Unternehmensfortführung. So können zum Beispiel fachfremden Kindern nur die Unternehmensanteile übertragen werden, und vorhandene und/oder neue Führungskräfte übernehmen das Management.

Wie bereiten Unternehmer ihre Kinder am besten auf die Übernahme des Familienbetriebs vor?
Ein Unternehmer kann kaum mehr tun, als durch seinen eigenen Lebensstil ein . gutes Beispiel zu geben und mit seinen Kindern offen über die gegenseitigen Interessen, Erwartungshaltungen und Befürchtungen zu diskutieren. Er kann seine Kinder also nicht wirklich darauf vorbereiten, sondern sollte sie eine Ausbildung wählen lassen, die ihnen Spaß macht und in der sie ihre Fähigkeiten entwickeln können. Zeigen sie Interesse am Familienunternehmen, können sie vielleicht bei einem anderen Unternehmer Praktika absolvieren. Und nach Studium oder Ausbildung sollten sie meiner Meinung nach in einem geografisch etwas weiter entfernten Unternehmen ins Berufsleben starten.

Wie sollte die Übergangsphase von einer Generation auf die nächste gestaltet werden?
Ich rate dazu, die Unternehmensfortführung gut vorzubereiten und dabei einen festen Ausstiegszeitpunkt der älteren Generation festzulegen. Nach der offiziellen Übergabe sollte die Einarbeitungszeit des Juniors, der schon anderweitig hinreichend Erfahrung gesammelt hat, so kurz wie möglich ausfallen. In der Regel sind zwei Monate besser als zwei Jahre. Als designierter Nachfolger ohne operative Verantwortung in den Strukturen, die von den Eltern aufgebaut wurden, zu arbeiten kann manchmal schwierig sein. Wichtig sind konkrete Planungen, wie ein Unternehmensübergang realisiert wird. Parallel dazu sollten Seniorunternehmer aber auch überlegen, wie ihr persönliches und familiäres Leben nach der Unternehmerphase aussehen soll.